Nach „1915“ (Claude Debussy und Reynaldo Hahn) und „Colors“ (Debussy und Richard Strauss) folgt nun eine weitere CD, „Avec esprit“ mit einer Werkauswahl für zwei Klaviere aus der französischen Romantik.
Zwei dieser Kompositionen stammen aus der Feder von Theodore Gouvy (1819 – 1898). Mit diesem Komponisten verbindet uns schon eine besondere „Freundschaft“, waren wir doch immerhin die ersten Musiker, die diesem Autor Anfang der 90er Jahre eine ganze CD (damals mit Werken für Klavier zu vier Händen) gewidmet haben. Sein reichhaltiges Schaffen in allen Musikgattungen ist mittlerweile gut dokumentiert und erfreut sich zunehmender Anerkennung und Verbreitung, die ihm während seines Lebens in dem Maße nicht vergönnt war. Verschiedene Gründe mögen dazu beigetragen haben, politische wie musikhistorische. Um sich in seinem Stil zu orientieren, könnte man etwas pauschal behaupten, dass dieser etwa zwischen dem von Mendelssohn und Schumann anzusiedeln ist, aber seinem spezifischen Klang und ansprechenden Gestus wird man damit nicht wirklich gerecht. Als Beispiele für seine Kunst finden sich auf dieser CD die Sonate in d-Moll op. 66 (1876) und die Variationen über die irische Melodie Lilli Bullero op. 62 (1877).
Ungefähr zur gleichen Zeit komponierte Camille Saint-Saëns (1835 – 1921) die Variationen über ein Thema von Beethoven op. 35 (1874). Nach einer kurzen Einführung in improvisatorischer Manier wird das Thema präsentiert, das dem Menuett, bzw. dessen Trio aus der Klaviersonate op. 31 Nr. 3 entstammt. Darauf folgen zehn Variationen, darunter auch eine Fuge im barocken Stil. Verglichen mit dem Werk von Gouvy, das eine gewisse Süffigkeit und Opulenz aufweist, ist die Sprache vom Saint-Saens hier eher knapp und klassizistisch, ohne jedoch ihren virtuosen Charakter zu verleugnen. Auch eine Prise Humor ist dabei…
Wenn man von Théophile Ysaÿe (1865 – 1918) spricht, wird fast immer im gleichen Atemzug sein berühmterer Bruder Eugène, der große Violinvirtuose, genannt. Das Gesamtwerk des Pianisten und Komponisten Ysaÿe ist bis heute so gut wie nicht erschlossen, dabei hat er ein durchaus umfangreiches Repertoire hinterlassen. Um mindestens etwas dieser Vergessenheit zu entreißen, finden sich auf der CD seine Variationen über ein eigenes Thema op.10 (1910). Das höchst kunstvoll verwobene Werk, dessen üppige Harmonik bisweilen an diejenige César Francks erinnert, hat in mancher Variation den Charm des Unkonkreten, des flüchtig Angedeuteten, und somit durchaus auch einen impressionistischen Zug.
Verglichen mit der relativen Unbekanntheit von Gouvy und Ysaÿe ist Marguerite Mélan-Guéroult (1848 – 1936) völlig in Vergessenheit geraten. Ihr Tourbillon (1896) ist ein mitreissendes, entzückendes und äußerst charmantes Stück. Nebst einigen Klavierwerken und Liedern, die noch heute auffindbar sind, wirkt kurioserweise eine Büste von ihr zumindest als ein erhaltenes Lebenszeichen einer verschollenen Existenz.
Diese CD ist am 17.3.2023 erschienen.