ANLÄSSLICH DES GEBURTSTAGES VON CLARA SCHUMANN AM 13.9.2019
„Die Webenau liebt mich“
Allein schon diese Notiz in Robert Schumanns Tagebuch aus der Wienerzeit ist höchst anregend. Später schreibt er noch: „Gestern brach es bei der Webenau mehr als je hervor“. Die Webenau, geborene Baroni-Cavalcabò, selbst eine Pianistin und Komponistin, war später auch die Widmunsgträgerin seiner großangelegten Humoresque op 20. Als in ihrer Werkliste unter anderem auch eine Komposition zu finden war, die sie wiederum Robert zugeeignet hat und die mit dem Titel L’adieu et le Retour (1839) versehen ist, wurde meine Neugierde erst recht geweckt: Wo blieb dabei Clara Wieck als Muse, als Kunstgefährtin? Die Antwort lautet: Nicht weit entfernt! 1838/1839 widmete Clara nämlich ihrem heimlichen Verlobten die Trois Romances op. 11. Sie war nicht wegzudenken und auch nicht „wegzukomponieren“. Es könnte von Interesse sein sich zu fragen, mit wem sonst noch Clara ihren Robert zu teilen gezwungen war? Auch umgekehrt gefragt könnte es ein durchaus erhellendes Licht auf den schöpferischen Eros dieses einmaligen Paars werfen. So wären am Ende wohl auch die ihr gewidmeten Präludien von Theodor Kirchner zu rezipieren.
Die Beziehung zwischen Clara Schumann und Johannes Brahms hingegen ist seit je her ein mit Thema, das die Fantasie beflügelt: Dieses Verhältnis war durch gegenseitige tiefe Verehrung und Bewunderung geprägt. Weniger bekannt sind dagegen die Liebesgefühle, die Johannes Brahms gegenüber Julie Schumann, dem dritten Kind von Clara und Robert, hegte. Als Julie 16 Jahre wurde, widmete Brahms ihr seine Variationen für Klavier zu vier Händen über ein Thema ihres verstorbenen Vaters, und als sie sechs Jahre später heiratete, komponierte er als eine Art Brautgesang die Rhapsodie op. 53, die als Alt-Rhapsodie bekannt ist.
Da wurde ich stutzig: Dieses traurige Lied als Hochzeitsgeschenk? Musik auf ein Textfragment aus Goethes „Harzreise im Winter“, das kaum düsterer sein könnte? Und warum mit einer Altstimme und einem Männerchor besetzt? Warum wurde nicht männliche Kehle mit dieser „Schneeverfasstheit“ betraut? Sollten – gleich Engeln von oben, wärmend, schützend, tröstend – anstelle von Männern hier nicht Frauen singen? Als Antwort auf diese Fragen entstand die Fassung auf diesem Album. Gewiss: Brahms’ Musik bedarf keiner Korrektur! Aber warum sollte man nicht einmal versuchen, das Stück anders erklingen zu lassen…
Ich bin dem Chor des Bayerischen Rundfunks sehr dankbar für die Bereitschaft dieses Experiment durchzuführen, sowie dem Tenor Julian Prégardien, und dem Dirigenten Yuval Weinberg. Für die sorgfältige Notenherstellung dieser Fassung bedanke ich mich bei Lukas-Fabian Moser und David Zell.
Mein herzlicher Dank gilt ebenfalls den Musikwissenschaftlern Dr. Karsten Nottelmann (zu Julie von Webenau) und Dr. Michael Struck (Brahms Gesamtausgabe) für ihre langjährige Unterstützung.
Yaara Tal, München 2019
Diese CD ist am 9.8.2019 erschienen