„DIE BERAUSCHTEN“: Wagnerverehrung an beiden Rheinufern

„DIE BERAUSCHTEN“: Wagnerverehrung an beiden Rheinufern

Yaara Tal, Nike Wagner und Andreas Groethuysen | in Badenweiler. 
R. Wagner Ouverture du Vaisseau Fantôme
Der Fliegende Holländer
Fassung 1860, Arr. C. Debussy 1890
C. Debussy En blanc et noir (1915)
R. Wagner Götterdämmerung. Siegfried’s Tod
Bearbeitung: Alfred Pringsheim 1879
  – PAUSE –
R. Wagner Tannhäuser.
Bacchanale – Le Vénusberg
Fassung 1861, Arr. Paul Dukas 1893
C. Debussy Prélude à l’après-midi d’un faune 1892 – 1894
Arr. C. Debussy 1895?
R. Wagner Götterdämmerung
Siegfried’s Leichenfeier und Schluss-Scene
Bearbeitung: Alfred Pringsheim 1879

Das Programm hat zwei Achsen: Einerseits reflektiert es den spezifischen „Wagnérisme“ in Frankreich und anderseits präsentiert es zum ersten Mal Wagner-Bearbeitungen aus der Feder Alfred Pringsheims (Thomas Manns jüdischem Schwiegervater).

Das umfangreiche Thema Wagner – Frankreich wurde schon öfters besprochen und beschrieben. Trotzdem sind die Wagner-Transkriptionen von Debussy und vor allem die von Dukas ziemlich unbekannt geblieben. Verglichen mit dem französischen „Wagnérisme“ ist jedoch die Verbindung Wagner und Pringsheim im Bewusstsein der Wagnerforschung insgesamt und erst recht des allgemeinen Publikums so gut wie nicht vorhanden.

Wir sind in der glücklichen Lage, Zugang bekommen zu haben zu weitgehend unbekannten Bearbeitungen von A. Pringsheim, die noch unveröffentlicht in seinem Nachlass schlummern.

Das Faszinierende und Spannende an dem Programm, außer dem sensationellen Fund und der grandiosen Kunst Wagners, ist die Wandelbarkeit der Musik Debussys. Im „Prélude à l’après-midi d’un faune“ entspringt seine musikalische Inspiration noch aus der Erotik von Wagners Tristan, wobei in „En blanc et noir“, einem Kriegsstück und einer Art musikalische Kopfgeburt, die Entfernung von Wagner mehr als vollzogen ist: Wenn man die versteckte Symbolik wahrnimmt, erkennt man, dass sich die einst glühende Verehrung in brüske Ablehnung verwandelt hat.

„Zurück vom Ring!“

Parallel zur Einstudierung des Programms „Die Berauschten“ (Wagner-Debussy) entwickelte Yaara ein Erklärungsmodel, um die enigmatische Erscheinung von „En blanc et noir“ zu erhellen. Ihre eigenwillige Erkenntnisse sind nun im Aufsatz „Zurück vom Ring!“ zusammengetragen und sind ab sofort hier zum Download bereit.


FAZ: „Tal und Groethuysen sind eines der erfolgreichsten, besten Klavierduos weltweit“

Am 1. Mai 2014 ist der seit 7 Jahren in „künstlicher Koma befindlichen Kultfestival in Badenweiler wieder zum Leben erwacht! Yaara und Andreas fühlten sich sehr geehrt, als gerade sie eingeladen wurden, das Eröffnungskonzert zu spielen.

Umso grösser ist nun die Freude einige schmeichelnde Besprechungen vorzufinden, darunter auch die von den Feuilleton-Journalisten der FAZ und der NZZ. Besonders befriedigend ist die Einschätzung der Rezensentin der FAZ, Eleonore Büning, zu der allgemeinen künstlerischen Leistung des Duos: „Tal und Groethuysen sind eines der erfolgreichsten, besten Klavierduos weltweit. … und obgleich dies eine der zerbrechlichsten, intimsten Musizierformationen sein mag, obwohl auch das Repertoire dafür sehr überschaubar ist, gab es doch nie eine Phase, wo man so etwas wie Erschlaffung oder auch nur einen Anflug von Routine spüren konnte bei Tal/Groethuysen. Ihr Zusammenspiel ist leuchtend, brillant, wie aus einem Guss. Betörend schön die dynamisch ausdifferenzierten, fein abgestimmten Farbvaleurs in der gemeinsamen „Klangrede“.“

Diese Beobachtung wird ergänzt durch die Worte des NZZ-Kritikers Peter Hagmann: „Glänzend im Zusammenspiel, differenziert in der Dynamik und lebendig in der Agogik stellten Yaara Tal und Andreas Groethuysen Ausschnitte aus Opern und Musikdramen Richard Wagners vor.“

Das Programm beinhaltete auch den enigmatischen Zyklus Debussys „En blanc et noir“. Zu diesem Werk hat Yaara eine eingehende Abhandlung verfasst: Auf ihren Text bezieht sich der NZZ-Rezensent mit der Bemerkung: „In diesem dreiteiligen Stück von 1915 bildet sich, wie Yaara Tal in einer feinsinnigen Analyse nachgewiesen hat, die Begeisterung wie die Ablehnung Debussys gegenüber Wagner in zahlreichen Bezügen ab – in einer kleinen Einführung mit Beispielen führte das Andreas Groethuysen aus. Die etwas spröde Musik Debussys fand so mit einem Mal stupende Fasslichkeit und bewegende Ausdrücklichkeit.“

“Götterdämmerung“ ist die mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnete CD des Duos. Dazu notiert Büning weiter: „Voriges Jahr brachten sie einen Knüller heraus: Sie nahmen erstmals einige der Wagnerbearbeitungen von Alfred Pringsheim auf, dem Schwiegervater Thomas Manns, der ein Förderer Wagners war….In Badenweiler spielen sie nun Pringsheims Paraphrase auf „Siegfrieds Tod“ wie ein Vorspiel zum zweiten Satz aus Debussys „En blanc et noir“: Fließende Übergänge! Eine Offenbarung! … Und wie etwa das flirrende „Tannhäuser“-Bacchanal Wagners, in einer Klavierbearbeitung von Paul Dukas, geradezu zwingend harmonisch hinübergeistert in Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“, das hat man gar nie für möglich gehalten.“

Weitere Besprechungen aus der badischen Presse finden Sie unter:

POLONAISE

POLONAISE

Franz Xaver Mozart 1825 (K. G. Schweikart) | Frédéric Chopin 1829 (A. Mieroszewski). 

Franz Xaver Mozart oder die Geburtsstunde der Romantischen Polonaise

Die Ungunst der Stunde wollte es, dass der Sohn nur vier Monate vor dem Tod des Vaters geboren wurde. Doch obwohl die Zeit fehlte, den Vater noch kennenzulernen, sollte sein Schicksal ein Leben lang an den berühmten Vater gebunden bleiben. Die Strategie, mit der die Mutter Constanze sein Dasein als Sohn inszenierte, machte aus ihm einen Artikel, der zum Label Mozart gehörte, den die Mutter so gut zu vermarkten wusste. Dem von Natur aus sehr zarten Kind war die Rolle des erfolgreichen, genialen Erben zugedacht: Ruhmreich wie der Papa zu sein war Auftrag und Befehl zugleich. Dass er trotz dieses enormen Drucks überhaupt eine Existenz als Musiker führen konnte, ist wohl das untrüglichste Zeichen für seine außergewöhnliche musikalische Begabung als Pianist und Komponist.

Der Wechsel nach Galizien mit siebzehn Jahren hätte ein Befreiungsschlag sein können, ein Durchbruch ins Eigene – und fast wäre es ihm auch geglückt! Die Polonaisen, die zwischen 1811 und 1818 entstanden, werfen ein helles Licht auf diese Verheißung. Weisen die zahlreichen Variationswerke für Klavier auf die virtuose und eigenwillige Benutzung der Tastatur und der Hand hin, so offenbaren die Polonaisen den Drang und die Sehnsucht nach einer neuen Welt und Ausdrucksweise, die nicht mehr in der Klassik ver- wurzelt ist. Doch wohin und wie weit die seelische Wanderung noch hätte führen können, bleibt im Ungewissen, da die Zeit und der Geist dafür noch nicht reif waren.

Aber just dieses Schweben in stilistischer Ungewissheit, das Bekenntnis zum Bezug-Entzug verleiht diesen Piecen ihren eigentümlichen Reiz. Und es mutet beinahe paradox an, dass der Ausdruck einer so vagen Befindlichkeit im Laufe der Entstehungszeit der Polonaisen an Klarheit und Kühnheit noch gewinnt! Besonders charakteristisch sind die unzähligen Ausführungszeichen, die Dynamik und Tempo betreffen. Da könnte es Franz Xaver durchaus mit Mahler und Reger aufnehmen! Die Anweisungen für die Spieler sind biswei- len recht widersprüchlich und deuten in diverse Richtungen – und dies auf engstem Raum. Damit hob er sich klar von der Praxis des Vaters ab, der mit solchen Empfehlungen bekanntlich höchst sparsam umging. Ähnlich hinge- gen ist Franz Xaver dem Vater, wenn es um die perfekte Bildung der Harmonie auf der Tastatur, um das Verteilen der Töne, um vollkommene Balance und polyphone Stimmführung geht, die für beide Mozarts gleichermaßen charakteristisch sind.

Ungnädig war das Schicksal auch, als Franz Xaver sich in eine Frau verliebte, die bereits vergeben war, seine Liebe jedoch erwiderte. Diese Beziehung brach bis zu Mozarts Tod nicht ab. Das Unbehaustsein wurde zum integralen Bestandteil seines Gefühlslebens, das er aushalten musste: Zum einen der Schatten des übermächtigen Vaters, zum anderen die recht ehrgeizige, zu einer gewissen Einfalt neigende Mutter, und schließlich die Frau seines Lebens, die er mit einem anderen teilen musste… Dass sein Leben stark melancholische Züge annahm und seine Lebensenergie mit den Jahren schwächer wurde, ist ebenso traurig wie nachvollziehbar.

Aus heutiger Sicht kann man dem Werk Franz Xaver Mozarts den ihm gebührenden Platz zuweisen: Keiner vor ihm hat dieses so eigentümliche Lebensgefühl in den Polonaisen so zu gestalten gewusst wie er, und viele Wendungen, Gesten, Linien und rhythmische Motive, die er miteinander verwob, fanden später den Weg in das, was wir Romantik nennen.

Dass der junge Chopin – der während seiner Kindheit ausschließlich Polonaisen komponierte – Franz Xaver Mozarts Zyklen kannte, ist zwar nicht belegt, aber durchaus möglich, zumal sein Klavierlehrer, der Böhme Vojtech Živný, mit allen musikalischen Neuheiten aus der Donaumonarchie vertraut war. Es ist nicht auszuschließen, dass Chopin als Kind den konzertierenden Pianisten Mozart in Warschau erlebt hat! Die Bedeutung der Nocturnes von John Field (1782 -1837) für das Werk Chopins steht inzwischen außer Frage und ist gut dokumentiert. Ist es mehr als ein skurriler Zufall, dass Fields Geburtstag (26. Juli) mit jenem Franz Xaver Mozarts übereinstimmt, der Chopin womöglich den Weg in „die Polonaise“ gewiesen hat?

Yaara Tal

Diese CD ist am 4.8.2017 erschienen

COLORS

COLORS

Nijinsky in L’après-midi d’un faune | Plakat Salomé. 

Es gibt kaum eine Phase der Musikgeschichte die so bunt war, so vielfältig an Ideen, Richtungen und Strömungen wie die Zeit um die Wende zum 20 Jahrhundert. Die Zentren dieser Schöpfungsfülle waren Wien und Paris.

Die COLORS CD hat Paris im Blick und zwei Komponisten die für die heranwachsende „Moderne“ von enormen Bedeutung waren: Debussy und Strauss.

Das Repertoire mit La Mer, l’aprês-midi d’un faune, Till Eulenspiegel , Salome und Rosenkavalier, präsentiert absolute Highlights dieser Epoche in hervorragenden Transkriptionen.

Im Spannungsfeld zwischen dem Werk von Debussy und Strauss sucht diese CD ihren Weg und ist damit nach „1915“ die nächste Produktion des Duos, die sich mit Debussy im Lichte seiner Zeitgenossen befasst, und unweigerlich wieder den Bogen bis Wagner spannt („Die Berauschten“. Wagnerverehrung an beiden Rheinufern).

Diese CD ist am 4.8.2017 erschienen.

The Gramophone (Jeremy Nicholas) veröffentlichte am 23.5.2023 eine Besprechung der Avec esprit CD.

The Gramophone (Jeremy Nicholas) veröffentlichte am 23.5.2023 eine Besprechung der Avec esprit CD.

„Before I begin, I must declare an interest: I am a fully paid-up member of the Tal & Groethuysen fanclub. They have produced over the past 30-plus years some of the finest recordings in the catalogue of music for two pianists, all for the Sony label. While the husband-and wife- team has provided benchmark recordings of Mozart, Schubert, Mendlessohn and Brahms, Sony has, admirably, never batted an eyelid over some of their obscure repertoire for the four hands: Koechlin? Wagner? Reger? Gouvy?“

1923

1923

29,04,2023 Klavierfestival Ruhr. Essen
09.05.2023 München

Yaara hat das Programm (wie im unterstehenden Beitrag beschrieben) gleich nach der CD-Produktion zwei Mal im Konzert aufgeführt, einmal im Rahmen des Klavierfestival Ruhr und anschliessend in der Reihe der Studiokonzerten des Bayerischen Rundfunks.

Anläßlich dieses Konzerts hat der BR-Redakteur Falk Häfner ein Interview mit Yaara geführt, der hier zu hören ist:

Das Münchner Konzert im Studio 2 des BRs wurde am 11.5.2023 unten dem Titel „Nicht nur für Nerds“ von der Süddeutschen Zeitung (Rita Argauer) besprochen: „…Yaara Tal nimmt das zum Glück alles nicht ganz so schwer. Man merkt ihr die große Spiellust an, auch oder gerade dann, wenn sie – wie in letzter Zeit öfter – nach fast 40 Jahren im Duo solo spielt.“

Fotos: BR/Vera Johannsen

Das Konzert im bedeutenden Klavierfestival Ruhr fand im Museum Folkwang in Essen statt. Nach einer Museums-dürchführung und einem Referat zum Thema Musik und Kunst im Jahre 1923 (Tobias Bleek) spielte Yaara das entsprechende Programm.

Eine Ausführliche online-Rezension hat ebenfalls freudige Töne angeschlagen: „Das rund 80-minütige Programm führt Tal nicht nur musikalisch und pianistisch erstklassig auf, sondern stellt die Komponisten und Werke sachkundig und unterhaltsam vor. Verdiente, langanhaltende Ovationen sind der Dank. Dafür bedankt sie sich mit einer schönen kleinen Zugabe aus dem Jahr 1922: Der kleine weiße Esel – Originaltitel: Le petit âne blanc – aus der Feder von Jacques Ibert.“

Das Klavierfestival Ruhr hat in Zusammenarbeit mit der Journalistin Anja Renczikowski eine Podcast-Reihe mit dem schönen namen „AnTasten“ etabliert.

Hier das Gespräch mit Tobias Bleek und Yaara zum Thema Musik im Jahr 1923: