Preis der deutschen Schallplattenkritik für Yaara Tal „1923“

Preis der deutschen Schallplattenkritik für Yaara Tal „1923“

Eine schöne Bescherung noch vor Weihnachten! Das Album 1923 – gewinnt den Preis der Deutschen Schalplattenkritik in der Rubrik Tasteninstrumente.

Die Juroren der Vereinigung Preis der deutschen Schallplattenkritik werten die Produktion „1923“ – Werke von Frederick Delius, Joseph Achron, Josef Matthias Hauer, Arnold Schönberg, Hanns Eisler u.a. Yaara Tal – als eine der künstlerisch herausragenden Neuveröffentlichungen des Tonträgermarktes im vergangenen Quartal und zeichnen sie daher aus durch Aufnahme in die Bestenliste 4/2023.bei SONY.

 

1923

1923

Ernest Bloch | Josef Matthias Hauer | Arnold Schoenberg: Selbstportrait. 

Im Taumel der Zeit – Pianistin Yaara Tal porträtiert das Musikjahr 1923.

Das Musikjahr 1923 ist ein Kosmos von beeindruckender Vielschichtigkeit. In Wien vollendet Arnold Schönberg seine ersten Zwölftonwerke, im kosmopolitischen Paris feiert man den musikalischen Neoklassizismus, in ganz Europa begeistern sich Komponisten für amerikanische Modetänze und in Berlin beginnt auf dem Höhepunkt der politischen und ökonomischen Krise mit der ersten Funkstunden-Sendung das Zeitalter des Deutschen Rundfunks.

In ihrem neuen Album 1923, das Yaara für Sony Classical aufgenommen hat unternimmt sie eine ungewöhnliche Zeitreise in dieses Jahr der Extreme. Auf der Grundlage umfangreicher Recherchen hat sie eine sehr persönliche Werkauswahl zusammengestellt, die den Reichtum der damaligen Klaviermusik auf faszinierende Weise erlebbar macht: die Vielfalt der Strömungen, das Nebeneinander unterschiedlicher Stile, aber auch die offensichtlichen oder verborgenen Verbindungen zwischen verschiedenen Werken und ihren Schöpfern.

Zu den besonderen Trouvaillen dieser Einspielung zählen sicherlich die Miniaturen von Joseph Matthias Hauer nach Worte von Hölderlin, die szenischen Episoden zum Thema Mensch-Natur im Klang wiedergeben, so wie Nirvana von Ernest Bloch, eine Art moderne Ballade aus dem geistigen Jenseits.

„Die Maschine“ von Heautontimorumenus alias Fritz Heinrich Klein, eine „extonale Selbstsatire“ ist wohl die humorvollste Komposition auf diesem Album. Hier gesellt sich Andreas zu seiner langjährigen Klavierduo-Partnerin, um eine Welt zu skizieren, die die Relation zwischen dem Menschlichen und dem Maschinellen darstellt.

Einmalig in ihrer unverkennbaren Musiksprache sind die Fragmente von Leoš Janáček, die ein Spiegel der menschlichen Seele abbilden, sowie die feinen kleinen Tanzfantasien des Alexandre Tansman….

Angeregt wurde Yaara zu diesem Projekt von dem Musikwissenschaftler Tobias Bleek. Er hat im Frühjahr 2023 das Buch Im Taumel der Zwanziger. 1923: Musik in einem Jahr der Extreme veröffentlicht und das Booklet zu dem neuen Album verfasst. „Erst während der Recherche nach Kompositionen aus diesem Jahr wurde mir klar und bewusst, wie facettenreich und faszinierend das Repertoire für Klavier aus dieser Zeit ist“, berichtet Yaara rückblickend. „Ebenso stellte ich überrascht fest, dass meine persönliche musikalische Biographie eng mit einigen dieser 1923 entstandenen Werken verwoben ist, spielte ich schon als Kind z.B. Joseph Achrons Traum oder die 3 Tanzsätze von Émile Jaques-Dalcroze“.

Die Aufnahme entstand im April 2023 im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks auf einem Steinway Flügel unter Anwendung der innovativen Atmos Technik.

Dieses Album ist am 25.8.2023 erschienen.

Leoš Janáček | Federico Mompou | Der Tänzer Alexander Sakharoff, dem das Werk von Jaques-Dalcroze gewidmet (Bild Jawlensky).
Avec Esprit

Avec Esprit

Theophile Ysaye (1865 – 1918) | Marguerite Mélan-Guéroult (Büste von Jean-Baptiste Carpeaux) | Theodore Gouvy (1819 – 1898). 

Nach „1915“ (Claude Debussy und Reynaldo Hahn) und „Colors“ (Debussy und Richard Strauss) folgt nun eine weitere CD, „Avec esprit“ mit einer Werkauswahl für zwei Klaviere aus der französischen Romantik.

Zwei dieser Kompositionen stammen aus der Feder von Theodore Gouvy (1819 – 1898). Mit diesem Komponisten verbindet uns schon eine besondere „Freundschaft“, waren wir doch immerhin die ersten Musiker, die diesem Autor Anfang der 90er Jahre eine ganze CD (damals mit Werken für Klavier zu vier Händen) gewidmet haben. Sein reichhaltiges Schaffen in allen Musikgattungen ist mittlerweile gut dokumentiert und erfreut sich zunehmender Anerkennung und Verbreitung, die ihm während seines Lebens in dem Maße nicht vergönnt war. Verschiedene Gründe mögen dazu beigetragen haben, politische wie musikhistorische. Um sich in seinem Stil zu orientieren, könnte man etwas pauschal behaupten, dass dieser etwa zwischen dem von Mendelssohn und Schumann anzusiedeln ist, aber seinem spezifischen Klang und ansprechenden Gestus wird man damit nicht wirklich gerecht. Als Beispiele für seine Kunst finden sich auf dieser CD die Sonate in d-Moll op. 66 (1876) und die Variationen über die irische Melodie Lilli Bullero op. 62 (1877).

Ungefähr zur gleichen Zeit komponierte Camille Saint-Saëns (1835 – 1921) die Variationen über ein Thema von Beethoven op. 35 (1874). Nach einer kurzen Einführung in improvisatorischer Manier wird das Thema präsentiert, das dem Menuett, bzw. dessen Trio aus der Klaviersonate op. 31 Nr. 3 entstammt. Darauf folgen zehn Variationen, darunter auch eine Fuge im barocken Stil. Verglichen mit dem Werk von Gouvy, das eine gewisse Süffigkeit und Opulenz aufweist, ist die Sprache vom Saint-Saens hier eher knapp und klassizistisch, ohne jedoch ihren virtuosen Charakter zu verleugnen. Auch eine Prise Humor ist dabei…

Wenn man von Théophile Ysaÿe (1865 – 1918) spricht, wird fast immer im gleichen Atemzug sein berühmterer Bruder Eugène, der große Violinvirtuose, genannt. Das Gesamtwerk des Pianisten und Komponisten Ysaÿe ist bis heute so gut wie nicht erschlossen, dabei hat er ein durchaus umfangreiches Repertoire hinterlassen. Um mindestens etwas dieser Vergessenheit zu entreißen, finden sich auf der CD seine Variationen über ein eigenes Thema op.10 (1910).  Das höchst kunstvoll verwobene Werk, dessen üppige Harmonik bisweilen an diejenige César Francks erinnert, hat in mancher Variation den Charm des Unkonkreten, des flüchtig Angedeuteten, und somit durchaus auch einen impressionistischen Zug.

Verglichen mit der relativen Unbekanntheit von Gouvy und Ysaÿe ist Marguerite Mélan-Guéroult (1848 – 1936) völlig in Vergessenheit geraten. Ihr Tourbillon (1896) ist ein mitreissendes, entzückendes und äußerst charmantes Stück. Nebst einigen Klavierwerken und Liedern, die noch heute auffindbar sind, wirkt kurioserweise eine Büste von ihr zumindest als ein erhaltenes Lebenszeichen einer verschollenen Existenz.

Diese CD ist am 17.3.2023 erschienen.

Andreas und Yaara mit Jörg Moser dem Tonmeister.

NACH BACH oder Fügsame Fugen?

NACH BACH oder Fügsame Fugen?

Es war mitten in der der Corona-Hochphase, als der Schweizer Romancier Alain Claude Sulzer mich kontaktierte: Das Waldhaus-Hotel in Sils Maria hatte ihn eingeladen, im Juni 2021 einen Abend mit Lesung und Musik zu gestalten. Und so wollte er wissen, ob ich eine Idee für einen gemeinsamen Auftritt hätte.

Das Repertoire, das ich in diesem Moment vorschlagen konnte, war dasjenige, das ich kurz zuvor für die CD Tracing Bach eingespielt hatte. Also: Fugen aus 250 Jahren Musikgeschichte jeweils mit einem Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier von J. S. Bach gepaart. Dabei stammen die Fugen dieser Auswahl oft von eher unbekannten Komponisten – zum Teil mit einer spektakulären Vita. Darunter: Louis Ferdinand Prinz von Preußen, Charles Valentin Alkan, Napoleon Alkan, Lyonel Feininger….

Diese bunte Vorlage regte die ohnehin sprudelnde Phantasie von Alain Claude Sulzer an, und so schrieb er eine Reihe von Texten, die diesem speziellen biographisch-musikalischen Setting einen literarischen Spiegel vorhält. („Der preussische Apoll“, „Der missratene Sohn“, „Der heilige Napoleon“ etc).

Lesung und Musik wechseln sich ab und führen durch eine europäische Kulturlandschaft, die sich ganz frei durch zeitliche und räumliche Dimensionen entfaltet.

Gerne bieten wir dieses Programm (ca. 45 Min. Musik + ca. 30 Min. Lesung) als „Einakter“ an, also ohne Pause. Sollte es ein übliches (Vor-Corona) Konzert-Format werden, könnten wir auch eine zweiteilige Version mit einer Pause dazwischen anbieten.

Das Konzert mit Lesung fand in einem privaten Rahmen in Basel am 21.8.2021.

 

Hier einige Fotos aus dem Event

Fotos: Robert Schär

Tracing Bach

Tracing Bach

Lyonel Feininger: Der Dom in Halle (1931). 

Fügsame Fugen?

Die freie Zeit des Corona-Jahrs brachte mich zu Fugen, die Jahrzehnte nach Bach entstanden sind und die als „ledige“ konzipiert wurden: also zu solchen, die nicht schon mit einem Präludium verkoppelt sind. Die „schönsten“ habe ich zunächst in einer Reihe gespielt, dabei entstand aber kein Gebilde im ästhetischen Sinne: Die Fugen schalteten sich gleichsam gegenseitig aus, wie wenn sie nach einem Puffer, nach einer Trennung durch „fremden“ Stoff verlangen würden.

Die Suche nach geeigneten Prä- oder Postludien als gehobene „Zwischenmusik“ erwies sich jedoch anfangs als unbefriedigend: So sehr sehnte ich mich nach den Präludien aus Bachs Wohltemperierten Klavier, das bekanntlich für jede Tonart zwei Kompositionen liefert.Jeweils eines davon, das mir spontan am besten zu passen schien, stellte ich also der entsprechenden Fuge zur Seite, und sah (und hörte), dass es gut ward: Das BachPräludium und die Fuge, die eventuell 70 oder 100 Jahre späterzur Welt gekommen ist, ergänzten sich schön und stimmig, beleuchteten sich gegenseitig neu und erfrischend. Es war eine verblüffende Erfahrung!

Als ich Reinhard Febel von dieser Repertoire-Idee erzählte, bot er mir sofort an, eine neue Fuge zu komponieren, um diese Auswahl zu erweitern und sie zu aktualisieren. Da seine Tempus Fugit in d-Mollsteht und ich schon beide d-Moll Präludien aus dem Wohltemperierten Klavier eingesetzt hatte, kam mir die charmante Gavotte in dieser Tonart aus der 6. Englischen Suite zur Hilfe.

Es vergingen mehrere Monate des Erarbeitens, bis mir allmählich aufging, dass sich alle diese Fugen tatsächlich motivisch/thematisch auf das dazu gepaarte Präludium beziehen. Unweigerlich stellt sich nun die Frage, ob der jeweilige Komponist diese Tatsache bewusst gesteuert hatte, ob er also quasi eine „Alternative“ für die Bachsche Lösung anbieten wollte, oder ob er in dieser Hinsicht eher unbewusst dem Kompositionsprozess gefolgt war.

Bei manchen Komponisten beantwortet sich diese Frage fast von selbst: Wilhelm Friedemann Bach kannte natürlich die Werke seines Papas, und auch bei Lyonel Feininger, der seine Fuge in der raren Tonart es-Moll komponierte, dürfte es wohl ebenso wenig Zufall sein!

Yaara Tal

Dieses Album ist am 20.08.2021 erschienen.

Napoléon Alkan | Reinhard Febel